Wer den Wind erweckt hat
Musiktheater für alle ab 5 Jahren
Der Wind ist weg! Er hat aufgehört zu wehen. Nichts regt sich, die Wolken stehen seit Tagen bewegungslos am Himmel. Es ist windstill. Die Tiere rufen eine Tierversammlung ein und beschließen ihn zu suchen - alle zusammen, dem Frosch hinterher! Nur die Spinne macht sich allein auf den Weg und geht in eine andere Richtung. Nach einer beschwerlichen und gefährlichen Reise über den Ozean findet sie den schlafenden Wind. Sie weckt ihn auf. Der Wind ist wieder da! Eine Heldentat, für die die anderen Tiere sie feiern werden! Auf ihrem Heimweg trifft die Spinne auf die neugierige Fliege, die alles genau von ihr wissen will. Als die Spinne wieder zurückkommt, erfährt sie auch, warum...
Mit Figuren und Kompositionen für Klarinette, Percussion und Gesang erzählen drei Musiker*innen und zwei Puppenspieler*innen die lettische Mythe, die mit bildhafter Sprache poetische Erklärungen für Naturphänomene gibt: Was ist der Wind? Was wäre, wenn er nicht mehr da wäre? Warum hat die Spinne angefangen, Netze zu weben?
Maika Küster (Gesang), Maryanne Piper (Klarinette) und Dominik Hahn (Percussion) haben in Improvisationen und Kompositionen eine eigenständige zeitgenössische Musik zur Geschichte entwickelt. Bahar Sadafi und Michael Lurse spielen mit virtuosen Rollenwechseln ein großes Ensemble von unterschiedlich gestalteten Tierfiguren, die Lisa Schnee aus Kleidungsstücken und Alltagsgegenständen gebaut hat.
Premiere: 30. September 2018
Team
Puppenspiel: Bahar Sadafi, Michael Lurse
Musik: Maika Küster, Dominik Hahn, Maryanne Piper und Team
Inszenierung: Barbara Kölling und Team
Für die Inszenierung hat das HELIOS Theater sein Ensemble um vier Künstler*innen erweitert: die Puppenspielerin Bahar Saddafi, die Klarinettistin und Saxofonistin Maryanne Piper, der Percussionist Dominik Hahn und die Sängerin Maika Küster wirken zum ersten Mal bei einer Produktion des HELIOS Theaters mit. Die Figuren baut die Puppenspielerin Lisa Schnee.
Die Produktion entstand im Auftrag des Kultursekretariat NRW Gütersloh. Über das Förderprogramm „HEIMWÄRTS“ wird in den Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 ein Teil der Kosten für Gastspieltermine in den Mitgliedsstädten des Kultursekretariat NRW Gütersloh finanziert. Eine Info-Broschüre für interessierte Veranstalter*innen finden Sie hier (pdf, ca 1,5 MB).
Pressestimmen
Die Spinne geht ihren eigenen Weg
[...] Am Anfang bläht sich noch die Plane, der Wind weht, alles ist in Ordnung. Doch plötzlich steht alles still. Und es bleibt auch so. Der Wind ist weg, es fehlt jede Bewegung in der Luft. Auf Dauer ist das lebensgefährlich.
Das neue Stück des Helios Theaters in Hamm basiert auf einer lettischen Sage. Die innovative Bühne, die im Hauptbahnhof ihr eigenes Haus hat und mit ihren Aufführungen viel unterwegs ist, beschreitet im Auftrag des Kultursekretariats NRW Gütersloh neue Wege. „Wer den Wind erweckt hat“ ist Musiktheater für Menschen ab 5. Die Spieler werden von einem live spielenden Trio unterstützt.
Die Musik dient nicht nur der Handlung
Sängerin Maika Küster, Klarinettistin Maryanne Piper und Schlagzeuger Dominik Hahn bleiben nicht nur auf ihren Stühlen. Sie stehen manchmal auf, gehen in die Szene hinein, begleiten die Handlung, ohne sie einfach zu illustrieren. Die Musik ist eine eigene Spielebene, reagiert auf die Geschichte, kommentiert sie, schafft Atmosphäre. Maika Küster singt keine Texte, sondern Vokalisen, auf einen Stil lässt sich das Trio nicht festlegen. Es sind Jazzelemente dabei, überhaupt viel improvisierte Musik, sanfte Dissonanzen, schwebende Klänge, ein zeitgenössischer Soundtrack.
Der bauchige Frosch und die kratzige Ratte
Die Helden des Stücks sind die Tiere. Sie kommen zusammen, beraten, was zu tun ist und machen sich schließlich auf, um den Wind zurückzuholen. Die Spieler Bahareh Sadafi – in Teheran geboren und dort auch zur Puppenspielerin ausgebildet – und Michael Lurse bringen eine Figur nach der anderen ins Spiel. Einen wohl bebauchten Frosch zum Beispiel, dessen Leibesfülle Autorität behauptet. Oder eine Ratte, der Bahareh Sadafi eine kratzige, hohe Stimme verleiht.
Star der Aufführung ist allerdings die Spinne. Sonst ist sie nicht gerade ein Tier, dem besondere Sympathien zufliegen. [...] Mit ihren roten Haaren sieht die Spinne frech und eigenwillig aus. Lisa Schnee hat die Puppen aus Kleidungsstücken und Alltagsgegenständen gebaut, was ihnen einen leicht anarchischen Handmade-Beigeschmack verleiht.
Die Fliege und die fake news
Die Spinne geht ihren eigenen Weg, ganz allein, ohne die anderen Tiere. Denn sie ahnt, dass sie den Wind nur finden kann, wenn sie sich über den Ozean traut. Wahrhaftig gelingt es ihr, den Wind zu finden und ihn wieder zu erwecken. Aber damit ist die Geschichte längst nicht vorbei. Denn die Fliege versucht, der Spinne ihren verdienten Ruhm zu rauben und macht Stimmung gegen sie. Da ist das Kinderstück ganz aktuell. Es geht darum, wie man mit Lügen und fake news die Wahrheit verdrehen und andere manipulieren kann. Doch die Spinne gibt sich nicht geschlagen.
[...] die ästhetische Umsetzung überzeugt. Die Bühne ist mit Sand bedeckt, Rohre, die wie grüne Äste aussehen bilden eine Installation. Bahareh Sadafi und Michael Lurse versuchen nicht, sich hinter den Puppen zu verstecken, sondern zeigen ganz offen, wie sie die Tiere bewegen. [...] Liebevoll gehen die Spieler mit Figuren und Objekten um. Zusammen mit der unaufdringlichen aber doch sehr präsenten Musik gelingt ein Gesamtkunstwerk, faszinierendes Musiktheater.
Ab nächstes Frühjahr wird das Stück auf Tour gehen. Das Förderprogramm „Heimwärts“ des Kultursekretariats übernimmt einen Teil der Kosten dieser Gastspiele.
von Stefan Keim, HEIMWÄRTS-Blog, www.heimwaerts-nrw.de, 4. Oktober 2018
HELIOS: „Wer den Wind erweckt hat“
[...] Wie sieht der Wind aus, wenn er schläft? Wie, wenn er im Felsenschatten liegt, ohne sich zu rühren? Wie klingt er dann? Subtil schwingen diese Fragen mit, wenn die Spinne den Gesuchten auf einer Felseninsel findet. Doch es ist selbstverständlich, dass sie ihn erkennt – sie, die als Vertreterin der Fauna seine Abwesenheit doch so sehr spürt. „Überall herrschte eine so große Stille, dass die Tiere durch ihre eigenen Schritte erschreckt wurden“. Umso größer ist die Erleichterung – ja, die Euphorie, als mit dem von den Rufen der Spinne erweckten Wind ein Konzert aus Rhythmus aufzieht, ein Klopfen, Trommeln, Klappern aus Drums (Dominik Hahn), Keyboard und den Stab-Ästen des Bühnenbildes. Es ist ein Rhythmus, der unter die Kleider fährt, der den Körper kitzelt wie der Wind beim Rennen durch den Wald, in dem die Tiere die Rückkehr ihres windigen Freundes feiern.
Welche Rolle spielt es da, wer den Wind rief und in den Wald zurückholte? Die Fliege will es gewesen sein und warum nicht ihr glauben? Sie war zuerst da, hat als Erste ihre Ansprüche verlauten, hat sich nahrhafte Belohnung versprechen lassen. Warum all das noch umwerfen, als die Spinne daherkommt und als Zweite behauptet, den Wind zurückgeholt zu haben? In sichtlicher Bewegung der langen Fingerbeine – die durch Bahar Safadis virtuoses Spiel und die gliedrige Struktur der Spinnenpuppe im gemeinen Phobiker leichten Ekel weckt – vermeldet sie ihr Recht als Heldin. Auf dem Kopf der Sängerin Maika Küster kriechend, ihre Stirn mit den langen Spinnenbeinen sanft streichelnd bespielt sie den atmosphärisch-psychedelischen Gesang, dessen Ende fast schon schmerzt.
Und dann geht sie zum Angriff über – zum passiv-aggressiven Beutefang der Spinnen. Zwischen den grünen Ast-Stäben auf der Bühne webt sie ihre Netze, um Rache zu üben an den Fliegen, deren Vertreterin sie so hinterhältig verriet. [...]
Doch Spinne und Fliege sind nicht die einzigen Figuren, die Lisa Schnee dem jeweiligen tierischen Wesen entsprechend und gleichzeitig hoch kreativ entwickelt und gebaut hat. So scheinen ein Schmetterling und ein Regenschirm nicht wirklich zusammenzupassen. Und doch wirkt es ganz natürlich, dass wechselndes Öffnen und Schließen eines schmetterlingsförmigen Regenschirms ein Flügelschlagen ist. [...]
Nachdem der Wind verschwunden ist, rufen die Tiere zur Tierkonferenz. Die Klarinette, gespielt von Maryanne Piper, wirkt dabei wie ein Sog, eine immerwährende Wiederholung, die tranceartig zu sich ruft. Und so müssen sich die Tiere förmlich versammeln, um darüber zu beratschlagen, wie sie den Wind zurückholen können. Und hier werden auch die Musiker zu Puppenspielern – indem sie schlicht den Blick senken. Denn Grashüpfer und Löwe sind Gesichter auf den Kopfbedeckungen der Musiker, ein humoristischer Effekt, der in seiner einfachen Darstellungsweise eindeutig ist.
Solange die Unterredung währt, schweigt die Klarinette. Doch als die Tiere sich zu ihrer großen Suche nach dem Wind aufmachen, setzt sie wieder ein: mit demselben eindringlichen Thema, in einer orientalischen Tonlage, die dem Moment eine außergewöhnliche Schönheit verleiht.
Das Kultursekretariat NRW Gütersloh hat diese Produktion beauftragt mit dem Ziel, einen Beitrag zum „zeitgenössischen Musiktheater für Kinder“ zu leisten. Wer den Wind erweckt hat erfüllt diesen Anspruch und geht darüber hinaus. Denn in seiner Anlehnung an eine lettische Mythe ist das Stück sowohl traditionell als auch zeitgenössisch. Ja, es ist Musiktheater, aber es ist auch Schauspiel, Installation und – vor allem – Puppenspiel. Und auch den Anspruch an ein Kindertheater kann dieses Stück wohl erfüllen. Doch die meisten Regungen waren während der Vorstellung aus dem erwachsenen Publikum zu vernehmen. Barbara Kölling hat mit dieser Inszenierung ein breitentaugliches Stück geschaffen – ohne dabei den gebotenen künstlerischen Anspruch in irgendeiner Weise zu vernachlässigen.
von Pia Soldan, FIDENA-Portal, www.fidena.de, 2. Oktober 2018
Theaterpädagogik
Zu „Wer den Wind erweckt hat“ hat das HELIOS Theater eine theaterpädagogische Materialmappe erstellt. Sie enthält Ideen und Anregungen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs. Ein besonderer Fokus liegt auf verschiedenen Aspekten des Hörens. Die Mappe kann zum Selbstkostenpreis (3 € + ggf. Versand) im Theaterbüro bestellt werden und steht hier zum kostenlosen Download zur Verfügung.
Theaterpädagogisches Begleitmaterial "Wer den Wind erweckt hat"